Wiederbeginn nach schrecklicher Zeit
1952
Am 26.3. erfolgte die Wiedergründung des Vereins, den nun Eugen Nagler leitete. Die alte Satzung wurde übernommen. Und wie seinem Vater in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, so gelang es nun Eugen Nagler. dem Verein wieder seine einstige Bedeutung zurückzugeben, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Neben Vorträgen, zum Teil zusammen mit dem VDI, treten nun mehr und mehr Betriebsbesichtigungen in den Vordergrund. Und die am 28. Mai 1953 gegründete Kegelgilde sorgt seither für Geselligkeit und Humor.
Nur Träumer und Phantasten wussten, was kommt.
Mit „ Raketenforschung und Weltraumflug" befaßt sich der Vortrag, den Heinz Gartmann 1952 vor dem TVA hält. Zu diesem Zeitpunkt ist die deutsche Rakete „A4" noch immer die meist gebaute und best erprobte Antriebsstufe der Welt. Mit fast 14 Metern Länge und einem Durchmesser von 1,65 Metern ist sie die „Großmutter" aller Raketen in West und Ost.
1949 erreicht eine zweistufige Version in White Sands, New Mexiko, die damals sensationelle Höhe von 403 Kilometern. Wenig später noch sagt der deutsche Raketenforscher Dornberger vor Journalisten: „Raumfahrt... augenblicklich ruft ein solches Wort noch ein Gruseln bei den Leuten hervor und konservativ denkende Fachleute reagieren mit einem milden Lächeln!".
1955 geben sowohl Amerika als auch Russland bekannt, zum Geophysikalischen Jahr 1957 einen künstlichen Stern in eine Erdumlaufbahn zu schicken. Russland gewinnt diesen Wettlauf mit seinem am 4. Okt. 1957 gestarteten „Sputnik". Knapp zwölf Jahre später betritt am 21. Juli 1969 Neil Armstrong Kommandant von „Apollo II", als erster Menseh den Mund. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, entstehen 1966 bei Messerschmitt in Augsburg die Strukturkomponenten F1 und T2 für den ESRO-Forschungssatelliten HEOS-A, den ersten in Deutschland gebauten Satelliten zur Messung des interplanetaren Magnetfeldes und der Energieverteilung geladener Teilchen außerhalb des Erdmagnetfeldes. In einer Periode maximaler Sonnentätigkeit wird der Satellit im Dezember 1968 in Cape Kennedy von einer schubverstärkten Thor-Delta in die Umlaufbahn gebracht.
1965
Wieder war das "Drei Mohren" der Ort für ein großes Fest. Der Verein konnte seinen 120. Geburtstag begehen, gleichsam als Ausgleich für die 1945 zwangsweise ausgefallene 100-Jahrfeier. Gratulanten von staatlicher, städtischer Seite, von Industrie und Handwerk gab es in Hülle und Fülle. Der Verein war wieder „in" und bis 1967 war die Mitgliederzahl auf 250 angewachsen, darunter 17 Firmenmitglieder und vier Ehrenmitglieder.
Ab Augsburg Richtung Stratosphäre!
Der erste Startversuch des Schweizer Physikers Auguste Piccard zusammen mit seinem Assistenten Paul Kipfer am 14. September 1930 auf dein Gelände der Ballonfabrik an der Austraße wird wegen böiger Winde abgebrochen. Beim zweiten Versuch am 27. Mai 1931 verlassen die beiden im Morgengrauen Augsburger Boden. Trotz zweier Pannen wird die Fahrt ein Erfolg: Das Quecksilber eines herabgefallenen Thermometers hatte ein Leck in die Aluminium-Druckkapsel geätzt, und das Verbindungsseil zum Gasventil war gerissen. Die Forscher erreichten eine Höhe von 15 781 Metern und landen nach 17 Stunden unversehrt auf dem Gurgeler Gletscher, auf dem noch heute eine Tafel an diesen denkwürdigen Augenblick erinnert.
1932 wird ein dritter Versuch gestartet, bei dem Auguste Piccard und Paul Kipfer sogar bis in eine Höhe von 16 940 Metern vorstoßen.
1958 kann der TVA Auguste Piccard für einen Vortrag gewinnen und wieder in die Fuggerstadt holen. Das Thema: Von der Stratosphäre in die Tiefsee.
Augsburg ist neben Münster in Westfalen eine „Ballon-Stadt" geblieben. Alpenüberquerungen im Ballon und ungezählte Wettbewerbe bis hin zu Weltmeisterschaften nehmen hier ihren Ausgangspunkt.
Was bringt die Raumfahrt?
1970
Beim 125. Geburtstag stand im Mittelpunkt der Festveranstaltung ein Vortrag des Raumfahrtexperten Werner Büdeler, der das Thema „Der praktische Nutzen der Raumfahrt in der Wissenschaft" behandelt. Bei der gleichen Veranstaltung machte der 2. Vorsitzende Hans Kaiser mit der an Glanzlichtern reichen Geschichte des Vereins bekannt und erörterte auch die technische und soziale Entwicklung des zurückliegenden Jahrhunderts.
Bei der Festveranstaltung am 25. September 1970 im Augustana-Saal v. I. n. r.:
1. Vorsitzender Eugen Nagler, Raumfahrtexperte Werner Büdeler, Regierungspräsident Frank Sieder. Bürgermeister Dr. Ludwig Kotter.
Abu Simbel und die Welser Küche
Mit dem Bau des Assuan-Staudammes drohen die Nubischen Denkmäler in den steigenden Fluten des Nil zu versinken. Zur Rettung dieser Kulturschätze richtet die UNESCO im Frühjahr 1960 einen Hilferuf an die ganze Welt.
In einem beispiellosen „Joint Venture", unterstützt aus Spenden vieler Länder, Organisationen und Einzelpersonen, gelingt es in einem dramatischen Wettlauf mit den aufgestauten Wassermassen, die beiden Felsentempel van Abu Simbel an einen 60 Meter höheren Ort zu verlegen. Eine hochentwickelte Technik bleibt Sieger.
Die Unterstützung dieses Vorhabens durch die Bundesrepublik Deutschland führt auch zur Beteiligung der Hochtief AG. Ihr Baumeister Walter Stiermann berichtet 1967 in einem Lichtbildervortrag dem TVA von der geglückten Rettungsaktion. Zwei Jahre später gründet er seine eigene Firma, die Stiermann KG.
Zu seinem 70. Geburtstag um 18. Juli 1992 schreibt die Augsburger Allgemeine u.a.: „Augsburg hat ihm viel zu verdanken. Er hat aus der Vergänglichkeit der Zeit so manches Historische wieder in den Kreislauf des lebendigen Alltags herübergerettet. Zum Beispiel ein fünfhundert Jahre altes, zum Abbruch bestimmtes Haus in der Maximilianstraße, das im Volksmund jetzt das Stiermann-Haus genannt wird." Die seither in den Kellergewölben eingerichtete „Welser Küche" ist auch im Umland berühmt für ihre mittelalterlichen Schlemmer-Mahle.
Walter Stiermann hat mit seinen Mitarbeitern unendlich viel erschaffen, in Augsburg u.a. die „Altstadtinsel". An der Südwestecke dieses exklusiven Wohnviertels erinnert ein Wandbild an Salomon Idler, einen frühen Augsburger „Flugpionier".